Vertrag bei Einstieg
Auch ohne Fahrkartenkauf gehen Zugreisende ein gültiges Vertragsverhältnis ein
Wie so oft bei Rechtsfragen war auch im folgenden Fall offen, ab welchem Zeitpunkt und durch welche Umstände ein Vertrag überhaupt zustande kommt, gegen den dann folglich auch verstoßen werden kann. Zu kompliziert? Na dann einfacher: Wann genau gehen "Schwarzfahrer" und Bahnunternehmen eigentlich einen gültigen Vertrag ein? Da die Beantwortung dieser Frage nicht an Grenzen stößt, sondern sie vielmehr überschreitet, musste hier der Europäische Gerichtshof (EuGH) ran.
Nach den Beförderungsbedingungen der Nationalen Gesellschaft der belgischen Eisenbahnen müssen Fahrgäste, die ohne gültigen Fahrschein Bahn fahren, ein erhöhtes Entgelt zahlen - das gibt zumindest eine Vertragsstrafenklausel in den Beförderungsbedingungen vor. Ein belgisches Gericht wollte nun vom EuGH wissen, ob und wann ein entsprechender Beförderungsvertrag in solchen Fällen überhaupt zustande kommt, damit eine solche Vertragsstrafe durch Verstoß auch rechtmäßig ist.
Die europäischen Richter urteilten, dass gleich zwei deckungsgleiche Willenserklärungen beim Einsteigen in einen Zug vorliegen. Einer fährt, der andere will gefahren werden: Dabei gewährt das Eisenbahnunternehmen zum einen den freien Zugang zu seinen Zügen, zum anderen geht der Fahrgast auf dieses Angebot durch den Einstieg in den Zug ein - das Vertragsverhältnis ist geschlossen. Die Fahrkarte ist hierbei nur das Instrument, das den Beförderungsvertrag verkörpert. Doch durch die Willenserklärungen entsteht auch ohne dieses Instrument ein Vertrag. Und deshalb gelten die Beförderungsbedingungen als Vertragsbestandteil, und eine Vertragsstrafe kann vereinbart werden. In welcher Höhe eine solche Vertragsstrafe rechtmäßig ist, muss das zuständige belgische Gericht nun entscheiden.
Hinweis: Der relevante Fall spielte sich zwar in Belgien ab, ist jedoch für ganz Europa maßgeblich. Steigt also auch hierzulande ein Fahrgast ohne gültigen Fahrschein in einen Zug ein, schließt er damit einen Vertrag. Gut zu wissen!
Quelle: EuGH, Urt. v. 07.11.2019 - C-349/18
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